Die AIDS-Hilfe trauert um Rüdiger Anhalt

Nachruf der AHF e.V.

Trauerbild

Am Samstagmorgen starb Rüdiger Anhalt nach einem langen und ereignisreichen, bewegten und erfüllten Leben im Alter von 79 Jahren im Kreise seiner Liebsten.

Wir sind sehr traurig, aber auch unendlich dankbar für gemeinsame Zeiten und Kämpfe, die Rüdiger mit und für uns in den schweren Anfangs- und Hochzeiten der AIDS-Krise in der Frankfurter AIDS-Hilfe an prominenter Stelle ausgefochten hat.

Wer war diese Rüdiger Anhalt?

Ein Mann mit vielen unerwarteten Talenten. Eigentlich ein sehr bürgerlich sozialisierter Hamburger- ein Kaufmann mit „geradliniger“ Biographie. Ein offener und zugewandter Mensch, im Herzen tief solidarisch und hilfsbereit, ein Familienmensch, stolzer Vater und zuletzt auch Großvater. Er war aber eben auch ein Betroffener, ein Empörter und Uneinsichtiger, ein Kämpfer, der sich mit seinem unverkennbar hanseatischem Charme und Temperament gegen die Ausgrenzung, Schuldzuweisung und Diskriminierung von HIV Positiven auflehnte und alles in seiner Macht stehende unternahm, um diese Missstände auf allen Ebenen zu skandalisieren und aktiv und kreativ dagegen vorzugehen.

Selbst mit dem Hi- Virus infiziert, engagierte er sich früh ehrenamtlich in der AIDS-Hilfe Frankfurt im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, später dann in unserem Positiventreffen, von dort sensibilisiert und aktiviert in der Positiven Aktions Front Frankfurt PAFF und schließlich in der 1990 entstandenen Act Up Frankfurt Gruppe als deren Mitgründer, Gesicht, Stimme und Anführer er fungierte.

Act Up Frankfurt war eine bunte Mischung aus Menschen, die sich als politischer Aktionsarm der AIDS-Bewegung verstand und mit zivilem Ungehorsam und spektakulären Aktionsformen sowohl gegen Benachteiligung durch Gesellschaft und Politik, als auch für Solidarität und Antidiskriminierung und ganz konkret für die Verbesserung der Versorgung von Menschen mit HIV und AIDS eintrat.

Und das nicht nur hier in Frankfurt- sondern auch Deutschlandweit und mit einem Blick über die europäische Kontinentalgrenze hinaus.

Rüdiger war der prominente Vertreter dieser Act Up Gruppe Frankfurts, die sich mit bundesweit beachteten Aktionen, wie der Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche im Fuldaer Dom 1992 mit dessen erzkonservativem Bischof Dyba genauso anlegte wie mit einem „Die In“ im Hessischen Landtag. Auch Straßensperren in Frankfurt gehörten dazu, um auf regionale Versorgungslücken aufmerksam zu machen. Aber auch bei gemeinsamen Aktionen mit Act Up Deutschland oder beim Gespräch mit dem Bundespräsidenten war Rüdiger mit an erster Stelle dabei.  Er war stets rührig, sprechfähig und hartnäckig in der Sache.

Die Fehler repressiver AIDS-Politiken gegenüber den von HIV Hauptbetroffenen, die Frage der medizinischen Versorgung und der ungerechte Zugang zu Therapeutika durch die Pharmaunternehmen haben ihn genauso umgetrieben wie der Einsatz für eine Verstetigung und auskömmliche Finanzierung der Hilfsangebote von AIDS-Hilfe.

Nach dem Ende von Act Up Frankfurt fokussierte sich Rüdiger Anhalt auf eine gerechte medizinische und pflegerische Versorgung von Menschen mit HIV und AIDS in den Entwicklungsländern- vordringlich in Afrika und gründete zu diesem Zweck mit anderen Aktiven den Verein „One Wold- One Hope“.

Rüdiger hat gemeinsam mit der AIDS-Hilfe Frankfurt einige Trauer- und Gedenkveranstaltungen zum Welt AIDS-Tag in der Frankfurter Paulskirche organisiert und Themen gesetzt, die unseren Blick über die Stadt und Landesgrenze hinaus geöffnet haben. Auch beim Zustandekommen des AIDS-Memorial von Tom Fecht auf dem Frankfurter Peterskirchhof war er aktiv beteiligt.

2005 erhielt Rüdiger Anhalt das Bundesverdienstkreuz- wohlverdient und exemplarisch für viele Engagierte aus unseren Reihen.

Dass er am Tag der Frankfurter CSD Parade verstarb ist ein kalendarischer Zufall, lässt sich aber auch als Zeichen lesen. Rüdiger hat sich stets für die Rechte unserer Community stark gemacht und viel dafür getan hat, dass wir uns heute so frei und offen auf den Frankfurter Straßen bewegen können.

Er war – obwohl nicht Frankfurter- doch auch ein Frankfurter Gesicht, ein Mann aus unserer Mitte, ein Bruder im Geiste und in der Tat.

Nach der Frankfurter Zeit hat sich Rüdiger seiner geliebten Familie gewidmet. Er ist gereist und hat sein Leben gelebt. Es dauerte länger- viel länger als das vieler anderer schon früh von HIV getroffener Weggefährten. Dank der Medizin und seinem Lebenswillen gewann Rüdiger noch viele produktive Jahre.

Mit seinem Tod wird die Schar der noch lebenden Zeitzeugen wieder kleiner. Umso wichtiger bleibt die Erinnerung an die Tage, in denen wir gemeinsam stark und wirksam waren. Dies ist und sollte uns Auftrag und Ermutigung sein, um auch die Kraft für zukünftig anstehende Kämpfe in uns zu finden.

Gemeinsam können wir viel erreichen. Rüdiger hat uns dafür ein Beispiel gegeben.

Er kehrt nun nach Frankfurt zurück und wird -darum hat er ausdrücklich gebeten- in aller Stille in unserer Grabstätte auf dem Frankfurter Hauptfriedhof seine letzte Ruhe finden.

 

In stiller Trauer - Geschäftsleitung und Vorstand der AHF e.V.