AHF: Wer queere Sichtbarkeit unterbindet, stellt sich gegen Menschenrechte und macht Politik für die falschen Kräfte

Außenfassade der Geschäftstelle mit Regenbogenflaggen an den Fenstern

PRESSEMITTEILUNG
Frankfurt am Main, 19. Juni 2025: Mit tiefer Irritation nimmt die Aidshilfe Frankfurt e.V. (AHF) zur Kenntnis, dass die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner entschieden hat, weder das Hissen der Regenbogenflagge am Reichstagsgebäude noch eine offizielle Beteiligung von Mitarbeitenden der Bundestagsverwaltung am Berliner CSD zuzulassen – unter dem Vorwand der staatlichen Neutralität.

Diese Entscheidung ist nicht nur ein politischer Rückschritt, sondern ein fatales gesellschaftliches Signal. Wer in Zeiten wachsender queerfeindlicher Gewalt bewusst Sichtbarkeit unterbindet, macht sich mitverantwortlich für die gesellschaftliche Ausgrenzung und Unsichtbarmachung von LSBTIQ+ -Menschen.

„Wenn Frau Klöckner unter ‚Neutralität‘ versteht, marginalisierte Gruppen aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen, dann hat sie weder den Geist unseres Grundgesetzes noch die historische Verantwortung verstanden, die aus der systematischen Verfolgung queerer Menschen erwächst,“ sagt Carsten Gehrig, stellv. Geschäftsführer der AHF

Neutralität heißt nicht Feigheit – und Queersein ist keine Meinung

Der Begriff „Neutralität“ wird hier politisch missbraucht. Queersein ist keine Parteimeinung, keine politische Überzeugung, keine ideologische Agenda. Es ist Teil der gesellschaftlichen Realität und betrifft Millionen Menschen in diesem Land – in ihren Familien, an ihren Arbeitsplätzen, in der Schule, im Sportverein, in der Bundeswehr, im Bundestag.

Wenn Sichtbarkeit verhindert wird, dann geht es nicht um Neutralität – sondern um Ignoranz, Feigheit und ein gefährliches Einknicken vor rechtskonservativen und extremistischen Kräften, die seit Jahren versuchen, queere Lebensrealitäten zu delegitimieren.

Politischer Dammbruch: Was, wenn andere Gruppen so behandelt würden?

Stellen Sie sich vor, staatliche Institutionen würden am Weltfrauentag keine Aktionen unterstützen – aus "Neutralitätsgründen". Oder das Gedenken an Antisemitismus würde nicht öffentlich stattfinden, weil es "zu emotional" sei. Oder Menschen mit Behinderung müssten auf Repräsentanz verzichten, um "nicht zu polarisieren".
Absurd? Genau das erleben queere Menschen jedes Jahr rund um den CSD und immer häufiger in ihrem queeren Umfeld.

Wer Rechte sichtbar macht, betreibt keine parteipolitische Agenda. Er oder sie schützt das Fundament unserer offenen Gesellschaft – und das ist keine Frage der Meinung, sondern der Haltung.

Die Sichtbarkeit von LSBTIQ+ ist keine Provokation. Sie ist Ausdruck von Selbstbestimmung, von Schutzbedürfnis und demokratischer Teilhabe. Wer sie verhindert, entzieht einer verletzlichen Gruppe die Luft zum Atmen und stellt ihre Lebensrealitäten in Frage.

Klöckners Entscheidung spielt den Falschen in die Hände

Rechtspopulistische und extremistische Gruppierungen werden genau diese Entscheidung als Bestätigung feiern:
Dass CSDs überflüssig seien.
Dass queere Menschen „zu laut“, „zu sichtbar“, „zu politisch“ seien.
Dass ihre Existenz verhandelbar sei.

In den letzten Monaten kam es zu Brandanschlägen, gewalttätigen Übergriffen, Morddrohungen gegen CSD-Veranstalter*innen, queere Treffpunkte und Einzelpersonen. Statt Schutz und klare Solidarität von höchster Stelle zu erhalten, bekommen sie aus dem Bundestag ein klares Zeichen des Rückzugs und der Unsichtbarkeit.

Sichtbarkeit rettet Leben – Schweigen schützt Täter

Wer queere Menschen aus der Öffentlichkeit verdrängt, bestärkt die Täter*innen. Wer als Bundestagspräsidentin mit doppelten Standards arbeitet, stellt sich gegen all jene, die auf Schutz, Würde und Gleichstellung angewiesen sind.

Die AHF fordert Julia Klöckner unmissverständlich auf:

  • Korrigieren Sie Ihre Entscheidung – sofort und öffentlich.
  • Erkennen Sie die Regenbogenflagge als das an, was sie ist: ein Zeichen von Schutz, Sichtbarkeit und Gleichwertigkeit.
  • Stellen Sie klar, dass Mitarbeitende der Bundesverwaltung selbstverständlich das Recht haben, an einer Demonstration für Menschenrechte teilzunehmen.

Beenden Sie dieses fatale Spiel mit der Doppelmoral – und stellen Sie sich auf die Seite der Demokratie, nicht derer, die sie untergraben 

Demokratie heißt nicht Rückzug. Demokratie heißt Haltung.

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